Rap for Refugees
Isaak tritt auf die Bühne. Das Herzklopfen steigt ihm durch den Körper, als sein Kopf fragt: “Hab ich meinen Text vergessen!?”. Er sucht die Antwort im Publikum, guckt, wie die Leute drauf sind. Dann denkt er an die üblichen Sachen, Schule und so, und daraufhin verschwindet alles in einem wilden Zeitraffer und plötzlich ist alles auch schon wieder vorbei. Die Leute kommen auf ihn zu, sagen: “Gut gemacht, man!”. Und ihm schießt das wärmste Gefühl durch Kopf und Herz.
Neben Isaak stehen Little Taylor und seine Freunde für Rap for Refugees auf der Bühne des KNUST im Hamburger Schanzenviertel. Über das Haus der Jugend sind die Zehnjährigen in das Projekt gekommen und machen seit mehr als drei Jahren ihre eigenen Beats und Texte, in denen sie Themen verarbeiten, die ihnen als Kinder, als Heranwachsende, als Schüler:innen begegnen. Dabei wollen sie vor allem Menschen außerhalb ihrer Altersklasse ihre Perspektive zeigen.
Die Gruppe der vier Neun- bis Zehnjährigen, die auf der Bühne mit Schall und Ruf empfangen werden, rappen über Mobbing. “Manche machen anderen das Leben schwer / darum haben andere keine Lust am Leben mehr”, singt Little Taylor im Refrain des Songs und über das Publikum legen sich feuchte Blicke. “Es ist befreiend auf der Bühne zu stehen und über seine Themen zu sprechen. Aber noch wichtiger ist es für uns, den Gemobbten eine Stimme geben, sodass sie laut sein können”, sagen sie.
Auch die Rapper:innen, die ihnen auf die Bühne folgen, sprechen über “die eigenen Gefühle, die sonst nicht ausgedrückt und nicht gezeigt werden”. Sich “auszurappen” bedeutet über Schmerz und Liebe, über die eigene Identität und eigene Erfahrungen zu sprechen. Dieser Akt braucht Mut - aber auch ein haltendes Publikum. “Egal was du leistest, hier werden alle klatschen”, sagt Ata Anat dazu. Er hält alles bei Rap for Refugees zusammen.
Vor fünf Jahren veranstaltete Ata mit der Beatboxerin und Producerin Lia Şahin ein erstes Festival, das zweite bekam direkt Fördergelder und hatte über 1000 Gäste. “Jetzt ist es so groß geworden, dass die Ziele auf eine gesellschaftliche Ebene gehoben werden - für mich geht es aber immer noch hauptsächlich um Hood-Arbeit, also lokale Arbeit”, sagt Lia dazu. Dann stürmt sie auf. Als Moderatorin des Abends muss sie wieder zur Bühne. “Yallah!”, ruft sie noch in die Menge, die vor der Tür des KNUST steht. Yallah! - Vorwärts!: Der Aufruf zum Aufbruch.
Noch bevor sie den ersten Schritt auf die Bühne setzt, wabern und zittern die schummrigen Bretter bereits. Der Druck der Beatbox-Sounds, mit denen Lia sich ankündigt, klettert die Stühle und Tische hoch. Ebenso plötzlich, wie sie ihre Soundwellen durch den Raum jagte, steht sie schon wieder ganz entspannt da. Lia, die den Hip-Hop mit bunter Farbe überzieht.
Auch für Lia ist Rap for Refugees ein Ort, an dem sie sich selbst authentisch begegnen konnte. “Ich fühl mich hier normal, angekommen, mit all meinen Erfahrungen. Und so ist es auch für die Teilnehmenden. Die kommen nicht in den Workshopraum und beginnen, über Mutterf*cken zu rappen. Sie erzählen ihre Geschichten”, erklärt sie, als sie sich in ihrer Moderationspause wieder vor die Tür gesellt. Sie erinnert sich an Workshops, in denen sie mit männlichen Personen und Kindern arbeitete, die noch nie etwas von Hip Hop gehört hatten. Als sie das Rappen ausprobierten, begannen sie sofort ihre Geschichten zu erzählen. Ein Junge schrieb einen Song über seine Flucht im Schlauchboot. “Hip Hop hat diese Wirkung. Vielleicht ist es deshalb grenzüberschreitend das beliebteste Genre bei Kindern und Jugendlichen. Sie können sich darüber ausdrücken”, fügt Ata hinzu.
Trotz des Gewichts dieser Bedeutung, schwebt den ganzen Abend über eine liebevolle Leichtigkeit im Raum. Die Musiker:innen auf der Bühne scheinen und das Publikum scheint zurück. Die ersten Gruppen von Kindern und Jugendlichen, die zu Beginn noch zittrig im Backstage Cola trinken, hängen jetzt losgelöst im Bühnenraum und bejubeln die anderen auf der Bühne. Isaak ist jetzt nochmal dran. Er steht allein auf der Bühne und rappt über seine Zeit während der Pandemie. Seine Gefühle dazu verpackt er in deutliche Aussagen, die auf ihrem Weg ins Publikum zu klaren Aufforderungen werden. Dabei schaut er jedem Einzelnen direkt in die Augen. Als Isaak von der Bühne steigt, erklärt er in wachsender Ruhe: “Auf der Bühne sein fühlt sich an, als würde man mit einem Kumpel sprechen. Nur halt mit vielen Kumpels.”
Rap for Refugees
Isaak tritt auf die Bühne. Das Herzklopfen steigt ihm durch den Körper, als sein Kopf fragt: “Hab ich meinen Text vergessen!?”. Er sucht die Antwort im Publikum, guckt, wie die Leute drauf sind. Dann denkt er an die üblichen Sachen, Schule und so, und daraufhin verschwindet alles in einem wilden Zeitraffer und plötzlich ist alles auch schon wieder vorbei. Die Leute kommen auf ihn zu, sagen: “Gut gemacht, man!”. Und ihm schießt das wärmste Gefühl durch Kopf und Herz.
Neben Isaak stehen Little Taylor und seine Freunde für Rap for Refugees auf der Bühne des KNUST im Hamburger Schanzenviertel. Über das Haus der Jugend sind die Zehnjährigen in das Projekt gekommen und machen seit mehr als drei Jahren ihre eigenen Beats und Texte, in denen sie Themen verarbeiten, die ihnen als Kinder, als Heranwachsende, als Schüler:innen begegnen. Dabei wollen sie vor allem Menschen außerhalb ihrer Altersklasse ihre Perspektive zeigen.
Die Gruppe der vier Neun- bis Zehnjährigen, die auf der Bühne mit Schall und Ruf empfangen werden, rappen über Mobbing. “Manche machen anderen das Leben schwer / darum haben andere keine Lust am Leben mehr”, singt Little Taylor im Refrain des Songs und über das Publikum legen sich feuchte Blicke. “Es ist befreiend auf der Bühne zu stehen und über seine Themen zu sprechen. Aber noch wichtiger ist es für uns, den Gemobbten eine Stimme geben, sodass sie laut sein können”, sagen sie.
Auch die Rapper:innen, die ihnen auf die Bühne folgen, sprechen über “die eigenen Gefühle, die sonst nicht ausgedrückt und nicht gezeigt werden”. Sich “auszurappen” bedeutet über Schmerz und Liebe, über die eigene Identität und eigene Erfahrungen zu sprechen. Dieser Akt braucht Mut - aber auch ein haltendes Publikum. “Egal was du leistest, hier werden alle klatschen”, sagt Ata Anat dazu. Er hält alles bei Rap for Refugees zusammen.
Vor fünf Jahren veranstaltete Ata mit der Beatboxerin und Producerin Lia Şahin ein erstes Festival, das zweite bekam direkt Fördergelder und hatte über 1000 Gäste. “Jetzt ist es so groß geworden, dass die Ziele auf eine gesellschaftliche Ebene gehoben werden - für mich geht es aber immer noch hauptsächlich um Hood-Arbeit, also lokale Arbeit”, sagt Lia dazu. Dann stürmt sie auf. Als Moderatorin des Abends muss sie wieder zur Bühne. “Yallah!”, ruft sie noch in die Menge, die vor der Tür des KNUST steht. Yallah! - Vorwärts!: Der Aufruf zum Aufbruch.
Noch bevor sie den ersten Schritt auf die Bühne setzt, wabern und zittern die schummrigen Bretter bereits. Der Druck der Beatbox-Sounds, mit denen Lia sich ankündigt, klettert die Stühle und Tische hoch. Ebenso plötzlich, wie sie ihre Soundwellen durch den Raum jagte, steht sie schon wieder ganz entspannt da. Lia, die den Hip-Hop mit bunter Farbe überzieht.
Auch für Lia ist Rap for Refugees ein Ort, an dem sie sich selbst authentisch begegnen konnte. “Ich fühl mich hier normal, angekommen, mit all meinen Erfahrungen. Und so ist es auch für die Teilnehmenden. Die kommen nicht in den Workshopraum und beginnen, über Mutterf*cken zu rappen. Sie erzählen ihre Geschichten”, erklärt sie, als sie sich in ihrer Moderationspause wieder vor die Tür gesellt. Sie erinnert sich an Workshops, in denen sie mit männlichen Personen und Kindern arbeitete, die noch nie etwas von Hip Hop gehört hatten. Als sie das Rappen ausprobierten, begannen sie sofort ihre Geschichten zu erzählen. Ein Junge schrieb einen Song über seine Flucht im Schlauchboot. “Hip Hop hat diese Wirkung. Vielleicht ist es deshalb grenzüberschreitend das beliebteste Genre bei Kindern und Jugendlichen. Sie können sich darüber ausdrücken”, fügt Ata hinzu.
Trotz des Gewichts dieser Bedeutung, schwebt den ganzen Abend über eine liebevolle Leichtigkeit im Raum. Die Musiker:innen auf der Bühne scheinen und das Publikum scheint zurück. Die ersten Gruppen von Kindern und Jugendlichen, die zu Beginn noch zittrig im Backstage Cola trinken, hängen jetzt losgelöst im Bühnenraum und bejubeln die anderen auf der Bühne. Isaak ist jetzt nochmal dran. Er steht allein auf der Bühne und rappt über seine Zeit während der Pandemie. Seine Gefühle dazu verpackt er in deutliche Aussagen, die auf ihrem Weg ins Publikum zu klaren Aufforderungen werden. Dabei schaut er jedem Einzelnen direkt in die Augen. Als Isaak von der Bühne steigt, erklärt er in wachsender Ruhe: “Auf der Bühne sein fühlt sich an, als würde man mit einem Kumpel sprechen. Nur halt mit vielen Kumpels.”